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Job des Schiedsrichter: Eine Berufung
17.11.2016Bild: DEB

Job des Schiedsrichter: Eine Berufung

Schiedsrichter stehen häufig in der Kritik. Doch hinter dem Titel des Referees offenbart sich ein umfangreiches Aufgabefeld, harte Arbeit und großes Engagement.

Ohne Schiedsrichter – keine Spiele: Die Aufgabe des Referees ist nicht nur ein Job, sondern eine Berufung, deren Komplexität oft unterschätzt wird. Del-2.org hat sich mit DEB-Schiedsrichter-Obmann Gerhard Lichtnecker unterhalten, um die Tätigkeit näher zu beleuchten.

Herr Lichtnecker, viele Zuschauer sehen das Schiedsrichtergespann nur auf dem Eis. Aber was genau gehört alles zum Aufgabenbereich eines Schiedsrichters?

Für den Referee gilt es, die Fairness im Spiel hochzuhalten und stets die Spielkontrolle zu haben. Bei den personellen Ansetzungen der Partien wird dabei möglichst nach der Devise "Erfahrung trifft junge Talente" verfahren. Der Hauptschiedsrichter ist dabei für den gesamten Ablauf des Spieles und die Strafen zuständig. Zudem kann er auch Entscheidungen der Linesman korrigieren. Die Linienrichter unterstützen dem Regelwerk entsprechend, zum Beispiel in Bezug auf Entscheidungen wie Abseits, Icing und bei den Bullys. In diesem Team ist die Kommunikation eine sehr wichtige Komponente. Aber auch neben dem Eis müssen die Referees einiges erledigen: Zum einen die Kontrolle der Spielerpässe und Spielberechtigungen, aber auch des Spielberichtsbogens.

Schiedsrichter sein ist eine Berufung. Welche besonderen Fähigkeiten oder Charaktereigenschaften zeichnen einen Referee aus?

In erster Linie braucht ein Referee Selbstbewusstsein, denn vor zahlreichen Zuschauern auf das Eis zu gehen und sich selbst positiv darzustellen, ist eine Herausforderung. Willensstärke ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Zudem muss ein Schiedsrichter körperlich robust und mental stark sein. Unabdingbar ist es, überzeugend zu agieren. Eminent wichtig ist dabei auch die Körpersprache: aufrechte Haltung, Blick nach vorn. Die Körperspannung steht für ein bewusstes Auftreten und klare Entscheidungen. Der Gerechtigkeitssinn ist für das Fairplay eine gute Grundvoraussetzung. Schiedsrichter sind Unparteiische und dürfen sich auch nicht von äußeren Umständen beeinflussen lassen. Ein Spielleiter muss über die gesamte Spiellänge eine hohe Konzentration und Aufmerksamkeit sowie Fingerspitzengefühl bei all seinen Entscheidungen zeigen.

Immer wieder gibt es auch Anpassungen im Regelbereich: Wie halten die Schiedsrichter sich auf dem aktuellen Stand?

Regelmäßig finden Kurse für die Schiedsrichter statt. Im Sommer gibt es immer einen Hauptlehrgang. Das Ganze wird ergänzt durch Herbst- und Winterseminare. Auch regional gibt es Schulungen. Jeder Referee muss dabei mindestens an drei Veranstaltungen teilnehmen. Auch vor den Playoffs gibt es für die Hauptverantwortlichen eine Fortbildung. Dort werden sie gezielt vorbereitet, welche Herausforderungen speziell in den Playoffs zu erwarten sind. Normalerweise ändern sich die Regeln aller vier Jahre – entsprechend des olympischen Rhythmus. Zusätzlich gibt es auch in dieser Zeit kleinere Regeländerungen, teilweise von den Ligen eingeführt. Es sind häufig Nuancen, die geändert werden. Bei den Schulungen gibt es zudem ein besonderes Trainee-Programm. Im zwei bis drei Wochen-Rhythmus sind sieben bis acht junge Talente gefordert und über drei Jahre gefördert. Etwa 80 Prozent der Teilnehmer schaffen den Sprung in die höchste Liga. Doch jeder einzelne Schiedsrichter ist auch selbst angehalten, sich über die Regeln zu informieren. Dazu gibt es eine Plattform mit annähernd 400 Fragen und Fallbeispielen.

Wie geht ein Schiedsrichter mit den Reaktionen der Zuschauer auf den Rängen um?

Es kommt großer Unmut auf, wenn der Zuschauer denkt, dass eine Fehlentscheidung getroffen wird. Der Spielleiter ist dann gefordert Souveränität auszustrahlen und das Ganze ruhig abzuhandeln. Wichtig ist auch, vor allem bei kritischen Entscheidungen, nicht mit einer Gegenprovokation zu reagieren. Man kann sich auch mit den Zuschauern arrangieren, indem der Unparteiische optisch zeigt, dass es eine Fehlentscheidung war. Ein großes Publikum im Hintergrund ist eine Motivation für jeden Referee. Umso mehr Zuschauer, desto wohler fühlt sich ein Schiedsrichter auf dem Eis. Wenn ein Schiedsrichter voll fokusiert auf das Spiel ist, wird er das Publikum nur als Hintergrund wahrnehmen. Die Kommunikation mit Spielern und Trainern steht im Vordergrund, nicht das, was von außen kommt. Es ist immer schwierig, wenn eine Mannschaft verliert. Da wird auch ganz gern der Schiedsrichter oder auch der Torhüter zum Sündenbock. Es sind die „Bad Positions“- denn wenn ein Fehler gemacht wird, sind es bei beidem meist gravierende Fehler. Wenn die Zuschauer nicht wissen, wer das Spiel geleitet hat, dann hat er alles richtig gemacht.

Findet eine Bewertung der Schiedsrichterleistung statt?

Jeder Referee muss mindestens drei Mal beobachtet werden. Die Tendenzgeht geht stark nach oben. Es gibt aktuell 20 Beobachter, die in jeder Liga unterwegs sind. Die Auswertung beinhaltet zehn konkrete Fakten zur fachlichen Ausübung, keine Emotionen oder Reaktionen von Fans oder Zuschauern. Ausgewertet wird nach einem Punktesystem. Der Überprüfte bekommt ein Feedback, mit einer Tendenz, wo er sich hinbewegt. Er erfährt auch, wo sein Verbesserungspotenzial liegt und welche Stärken sich bei ihm gezeigt haben. Die Beobachtungen ergeben ein Gesamtranking. Auch nutzen wir diese Erfahrungen für Lehrgänge und Qualifikationsmaßnahmen.  

Wie lange dauert die Ausbildung zum Referee?

Die Länge einer Ausbildung hängt von der Vorgeschichte und dem Talent ab. Ein großer Vorteil ist es, wenn es sich um einen ehemaligen Spieler handelt. Bis zu einem Alter von bis zu 35 Jahre wird jeder Spieler aufgenommen, welcher eine Eishockeyhistorie besitzt. Auch ehemalige Nationalspieler sind in den Schiedsrichterteams zu finden. Aber auch die jungen Talente, die aus dem Nachwuchsliegen herauskommen, sind laufstarke und schlittschuhläuferische perfekte Leute. Zunächst sind sie als Linienrichter gefordert. Beim DEB selektieren wir nach Leistung und läuferischen Grundlagen – denn das ist die Basis. Genauso gehört eine sportliche Fitness dazu. In Gesprächen werden auch die Charaktereigenschaften hinterfragt. Schon nach zwei, drei Jahren können Talente als Hauptschiedsrichter eingesetzt werden. Wenn die Grundvoraussetzungen - wie beherrschen des Regelwerks – stimmen, dann kann nach spätestens vier Jahren ein Unparteiischer auch in den höchsten Spielklassen DEL2 und DEL pfeifen. Regelschulungen beinhalten auch Auswertungen der Leistungen auf dem Eis durch Videos. Ein Sprung in den internationalen Bereich ist ebenfalls nach drei bis vier Jahren möglich. Deutschland rangiert unter den Top Fünf-Nationen in der Ausbildung. Stillstand ist für uns keine Option.

Was muss ich tun, um Schiedsrichter zu werden?

Das ist ganz einfach: Wir suchen vor allem junge Leute, die aus eissportbetreibenden Vereinen kommen oder Inline-Sport betreiben. Interessenten müssen sich beim DEB bewerben. Auch beim Landeseissportverband kann eine Bewerbung eingereicht werden. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Arbeit als Schiedsrichter nicht umsonst ist. Zudem besteht die Chance, an internationalen Events teilzunehmen. Hinter dem Erfolg steckt jedoch auch harte Arbeit und ein starker Wille. Eine breite Spitze braucht auch eine breite Basis. Aus viel Quantität kann auch viel Qualität herausgezogen werden. Dennoch muss das Rekruting in den Mannschaften und eissportbetreibenden Vereinen noch mehr fokussiert werden.

Aktuell wird in der DEL2 das Drei-Mann-System verwendet. Ist das Vier-Mann-System eine Option?

Vier-Mann-System ist das zukunftsweisende System: Eishockey wird immer athletischer und aktionsreicher. Schnelleres Spiel und schnellere Aktion fordern auch schnelle Reaktionen. Manchen Spielern fehlt es nicht an Cleverness und Schlitzohrigkeit hinter dem Hauptschiedsrichter kleine Aktionen zu fahren, diese können mit vier Referees besser gesehen werden. Fehler werden trotzdem passieren, dafür sind wir alle nur Menschen.

Wie werde ich Schiedsrichter - Nachwuchs gesucht.

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